Nachdem der Neusiedlersee (Österreich) im Jahr 2020 den niedrigsten Wasserstand seit 1965 erreicht hatte war klar, dass ohne technische Wasserzufuhr der Steppensee und all die Salzlacken im Seewinkel in wenigen Jahren komplett austrocknen würden.
Um eine Wasserzufuhr-Lösung zu finden und damit den Neusiedlersee und Lacken und Seen im Seewinkel zu retten und das sensible Ökosystem langfristig abzusichern, richtete die Landesregierung im Mai 2020 die Arbeitsgruppe "Task Force Neusiedlersee/Seewinkel"ein.
Am 18. März 2021 präsentierten der zuständige Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner, der Leiter der Task Force-Gruppe und Hauptreferatsleiter der Wasserwirtschaft Christian Sailer sowie Alexander Mechtler von der Ziviltechnikergesellschaft für Wasserwirtschaft und Georg Wolfram vom technischen Büro für Gewässer, Ökologie und Landschaftsplanung die Ergebnisse.
Wasser aus der ungarischen Moson Donau soll den Neusiedlersee und die Salzlacken im Seewinkel retten. Mehr über
- Klimawandel und die Rettung des Neusiedlersees und der Lacken im Seewinkel - hier
- Task Force Neusiedler See / Seewinkel und weitere Bilder - hier
- die widersprüchlichen Interessen: "Naturschutz oder nasse Keller" - hier
- Oktober 2022: Amphibienbaggern entfernen Schlamm aus dem See - hier
- den ungehinderten und ungewollten Abluss, steuerbare Regelanlagen & Qualität des Mosoni-Donauwassers - hier
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- Herbst 2022: Zugvögel finden in trockenen Seewinkel-Lacken keine Nahrung - hier
- September 2022: Experten einig über Rettung von Neusiedler See & den Lacken im Seewinkel - hier
- Gespräche zwischen Österreich und Ungarn im Juli 2022 wegen der Wasserzufuhr aus der Moson-Donau - hier
- das Lackensterben im Seewinkel & die BirdLife-Forderung im Juni 2022 - hier
- die Einrichtung einer Task Force & die optimale Lösung für eine Wasserzufuhr im Mai 2020 - hier
- Bilder und den extremen Wassermangel am Neusiedler See und im Seewinkel 2020 - hier
- den See, der als Landschaftselement erhalten bleiben soll im Mai 2020 - hier
- Mai 2020 & die Lacken im Seewinkel, die ohne Wasserzufuhr nicht zu erhalten sind - hier
- den Neusiedlersee und die angrenzenden Orte - hier
- das Burgenland auf Burgenland - Aktuell
Fotos (c): RP, Prinz, SCHNAPPEN.AT
Klimawandel im Seewinkel: Vom Hochwasser zur Trockenheit
"Seit Jahren beobachten wir im Burgenland vermehrte Auswirkungen des Klimawandels und schon jetzt investiert das Burgenland um unseren Lebensraum auf die geänderten Bedingungen anzupassen", eröffnete Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner die Pressekonferenz am 18. März 2021 im Kulturzentrum in Eisenstadt (Österreich).
Trockenheit im Seewinkel
Hatte das Burgenland in der Vergangenheit mehr mit Hochwasserereignissen zu kämpfen, so sind der Neusiedler See und die vielen Salzlacken im burgenländischen Seewinkel nunmehr von der starken Trockenheit, bzw. gar vom Austrocknen betroffen.
Wassermangel
Das Defizit unserer wichtigsten Ressource, dem Wasser, führte in den vergangenen Jahren aufgrund der Niederwasserführung zum Beispiel zu restriktiven Phasen bei der landwirtschaftlichen Beregnung und zu Verboten bei Wasserentnahmen aus Oberflächengewässern. Der Wassermangel führte zu historischen Wasser-Tiefstständen in den verschiedensten Seen und damit zu großen Problemen im Tourismus, bei Anrainern und Bootsbesitzern.
Für Vogelwelt lebensnotwendig
Durch den Wassermangel verschwanden für die Vogelwelt enorm wichtige Futterquellen in den Salzlacken im Seewinkel und die Grundwasserbrunnen zur Trinkwasserversorgung ließen sich auch nur mehr effizient betreiben.
"Diese Gründe waren im Mai 2020 für die Einrichtung einer Task Force ausschlaggebend", betonte LR Dorner.
Bewässerung für Landwirtschaft
"Der Mensch hat in den vergangenen Jahrzehnten in diese Regionen eingegriffen - und das nicht nur in Österreich. Deshalb sitzen wir mit Ungarn im selben Boot", sprach Dorner darüber, dass im Seewinkel, bzw. im ungarischen Hanság schon während der 50er Jahre viel Wasser zur Bewässerung und Nutzbarmachung des Gebietes für die Landwirtschaft und die Erweiterung des Siedlungsgebietes abgeleitet wurde.
Hauptkanal & Entwässerungsgräben
Der Seewinkler Hauptkanal und ein Netz an linearen Entwässerungsgräben wurden angelegt, um überschüssiges Wasser schnellstmöglich aus der Region abzuleiten. Landesrat Dorner: "Dieses System kritisch zu hinterfragen war auch eines der zentralen Aufgabengebiete der Task Force."
Interessensgruppen
Dorner weiter über die Task Force: "Diese Task Force hat sich mit allen Interessensgruppen eng abgestimmt, dem Naturschutz, den Gemeinden, dem Nationalpark, der Landwirtschaft und auch dem Tourismus. Bedürfnisse, Anforderungen und Erwartungen wurden erhoben und Studien durchgearbeitet."
Wasserzuleitung unerlässlich
Als nächste Schritte kündigte Dorner eine Machbarkeitsstudie, mit dem Ziel technische Lösungen auszuarbeiten, an: "Lösungen, die machbar sind und historische Eingriffe reparieren können. Was aber jetzt schon eindeutig erkennbar ist, dass eine Wasserzuleitung in den Naturraum Seewinkel unerlässlich ist."
Wasser aus der Moson-Donau
"Auch die ungarischen Kollegen stehen vor der selben Situation und hier liegt unsere Chance, denn in Ungarn gibt es bereits einen ca. zehn Kilometer langen Bewässerungsgraben in Richtung Hanság. Dieser bringt Wasser aus der Mosoni-Duna zur landwirtschaftlichen Bewässerung in Richtung Westen. Der Kanal in Ungarn wird nun 12 Kilometer weiter westlich verlängert, weil die Trockenheit ein Problem ist", erläuterte Dorner die Zusammenarbeit mit Ungarn.
Österreichisch-Ungarische Gewässerkommission
Dorner über die Österreichisch-Ungarische Gewässerkommission: "Deshalb wird nun zwischen der Österreichisch-Ungarischen Gewässerkommssion eine Zusammenarbeit vereinbart. Wir beteiligen uns am Bau des Kanals mit drei Millionen Euro und sichern uns damit für die zukünftigen Schritte eine mögliche Übernahme des Wassers aus der Mosoni-Donau."
"Das Ziel ist klar", führte Dorner weiter aus "das Wasser soll so lange wie möglich in der Region behalten werden um die derzeitige hydrologische Situation zu verbessern."
Neusiedlersee, ein Juwel
Dorner über die zusätzliche Umsetzung einer Wasserzuleitung zur Dotierung des Seewinkels, die für den Erhalt der bestehenden Natur- und Kulturlandschaft unverzichtbar ist: "Unsere oberste Prämisse ist: Wir dürfen das sensible Ökosystem Neusiedlersee nicht überfordern, sondern wir müssen es langfristig absichern, denn der Naturraum Neusiedlersee ist ein Juwel, das in seiner Form einzigartig ist."
30 Millionen Kubikmeter Wasser
Die Wasserexperten erklärten, dass zum Beispiel um den Wasserspiegel vom Neusiedlersee um nur einen Zentimeter zu heben, drei Millionen Kubikmeter Wasser erforderlich. Im guten Fall erwarten die Fachleute 30 Millionen Kubikmeter Wasser.
"Uns geht es darum, dass wir den See als Landschaftselement erhalten und nicht einer Austrocknung preisgeben", so Christian Sailer, der Leiter der Task Force Neusiedlersee /Seewinkel.
Durch die Wasserzubringung aus der Moson Donau sollen, so die Experten, zwischen ein und 4,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde nach Österreich fließen können.
Task Force Neusiedler See/Seewinkel
Fotos (c): RP, AP, SCHNAPPEN.AT
Geringe Wasserstände im Grundwasser: Naturschutz oder nasse Keller
Christian Sailer, der Leiter des Hauptreferates Wasserwirtschaft im Burgenland und Task Force-Leiter: "Die Situation 2020 hat sich so dargestellt, dass geringe Wasserstände im Grundwasser, im See, im Zicksee und im Neusiedlersee aufgezeichnet wurden und auch die Flüsse Niederwasserführungen hatten."
Life-Projekt
Sailer: "Die Task Force hat einen gemeinsamen Antrag mit dem Nationalpark Neusiedlersee, ein Life-Projekt, ausgearbeitet und eingereicht und wir erhoffen uns eine positive Beurteilung, weil dadurch der Vorteil entsteht, dass über die EU finanzierte Maßnahmen im Seewinkel umgesetzt werden können."
In diesem Projekt wird auf die Lackensysteme ein besonderes Augenmerk gelegt, um eine Verbesserung der Grundwassersituation zu erreichen. Sailer: "Jetzt ohne Wasserzuleitung aus der Mosoni Donau, sondern nur mit den Gegebenheiten, die vorhanden sind. Dass die Ableitungskanäle mit Wehranlagen ausgestattet werden, dass das Wasser länger zurückgehalten wird und nicht eins zu eins zum Einserkanal abgeleitet wird und so in Richtung Ungarn verschwindet."
Bis Sommer 2021 soll die Entscheidung fallen, ob das Life-Projekt umgesetzt werden kann.
Mosoni Donau & Grundwasseranreicherung
Sailer über die Machbarkeitsstudie der Gruppe Wasser: "Wir werden im Hinblick auf den Klimawandel ohne Wasserzufuhr keine ausgeglichene Bilanz für den Seewinkel schaffen. Deswegen haben wir einen zweiten Lösungsansatz verfolgt, nämlich die Wasserzuleitung der ungarischen Mosoni Donau für die Dotierung des Seewinkels und für die Grundwasseranreicherung. Ein gemeinsamer Wasserbewirtschaftungsplan Österreich und Ungarn."
Alexander Mechtler von der Ziviltechnikergersellschaft für Wasserwirtschaft über die technische Machbarkeitsstudie, die im Auftrag des Landes Burgenland durchgeführt wurde: "Unsere Aufgabe war es technische Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man den Seewinkel und den Hanság unter Wahrung und Berücksichtigung aller Interessen nachhaltig bewirtschaften kann."
Naturschutz oder nasse Keller
Mechtler über die teils widersprüchliche Aufgabenstellung: "Entgegenstehende Interessen prallen aufeinander. Wir haben auf der einen Seite den Naturschutz mit den Salzlacken, die ein massiv sensibles Ökosystem sind und einen hohen aber auch schwankenden Grundwasserstand benötigen. Auf der anderen Seite haben wir Siedlungsgebiete, die sich vor dem hohen Grundwasserstand fürchten, weil sie Überschwemmungen und Überflutungen und nasse Keller kriegen könnten."
Tourismus am Zicksee
Mechtler weiter über den vom niedrigen Grundwasserstand betroffenen Tourismus und die Landwirtschaft: "Ich erinnere an das Bild des Zicksees, der soweit gesunken war, das touristische Nutzung kaum noch möglich war. Der Zicksee leidet, wie alle anderen Lacken, unter dem tiefen Grundwasserstand. Und wir haben die Landwirtschaft, die im Seewinkel aufgrund der klimatischen Bedingungen einen deutlich höheren Bewässerungsbedarf hat als in anderen Regionen und der aus dem Grundwasser gedeckt wird. Das hat wiederum Auswirkungen auf den Grundwasserstand."
Ungehinderten Abfluss stoppen
"Ziel war es, ein System zu entwickeln, wie wir möglichst alle Interessen befriedigen, ohne anderen Interessen dabei zu schaden", so Mechtler. Der Wasserexperte weiter: "Das Ergebnis war, dass der erste Schritt ist, den ungehinderten und ungewollten Abfluss des Wassers aus den zahlreichen Kanälen zu stoppen. Diese Kanäle sind historisch gewachsen. Wir brauchen die Gräben, um in feuchten Jahren die höheren Wasserstände abtransportieren zu können."
Steuerbare Regelanlagen
"Es braucht steuerbare Regelanlagen, die offen sind, wenn sie das Wasser abführen müssen und geschlossen werden, wenn wir das Wasser so lang wie möglich im Seewinkel zurückhalten wollen. Unsere Studie hat aber auch eindeutig gezeigt, dass nur der Rückhalt nicht ausreicht um langanhaltende Trockenperioden ausgleichen zu können. Eine Dotation mit Zusatzwasser im Seewinkel ist daher aus wasserwirtschaftlicher Sicht unbedingt erforderlich", erläuterte Alexander Mechtler.
Weiters wurden in der Studie Möglichkeiten aufgezeigt, wie Wasser im Seewinkel so verteilt wird, damit in allen Region Wasser ausschließlich zum benötigten Zeitpunkt und in benötigten Ausmaß vorhanden ist.
Mit Grundwasser Lacken retten
"Das Grundwasser ist die zentrale Schaltstelle im Seewinkel. Das Grundwasser stützt die Lacken und über das Grundwasser können wir die Lacken retten", so Mechtler.
Qualität des Wasser aus der Mosoni Donau
Georg Wolfram von der DWS Hydro-Ökologie Gmbh über die Qualität des Wassers aus der Mosoni Donau: "Der Neusiedlersee weist als Steppensee eine ganz besondere, einzigartige ökologische Eigenschaft auf. Auch die Salzlacken im Seewinkel sind ganz besondere chemisch-ökologische Systeme. Es ist möglich mit dem Wasser der Moson Donau eine Dotierung des Sees vorzunehmen, ohne die spezifischen Eigenschaften des Sees zu gefährden."
Mit viel Vorsicht
Auch für die Salzlacken und den St. Andräer Zicksee im Seewinkel könnte laut Wolfram Wasser aus der Moson Donau verwendet werden: "Die Eignung ist grundsätzlich gegeben, aber immer mit viel Rücksichtnahme und Vorsicht auf die speziellen hydrologischen Rahmenbedingungen. Es geht nicht nur um die reine chemische Seite des Dotationswassers, es geht immer um das Zusammenspiel mit Wasserstand, Ausschwemmungen und Ableitungen von Wasser."
"Nur übers Grundwasser"
Und, nachdem das Wasser der Moson-Donau nicht direkt in die Lacken und in den See eingebracht werden darf, sondern das Grundwasser gehoben werden soll, muss das Wasser auch nicht aufbereitet werden.
Christian Sailer: "Das ist die genaue Untersuchung und Aufgabe, die wir jetzt in der Task Force zu klären haben. Wir geben kein Wasser in die Lacken hinein, sondern es geht immer nur um die Dotierung des Grundwassers. Wir schauen, dass wir von unten den Grundwasserstand heben."
Wie das Wasser eingeleitet wird, auf welchen Punkten und mit welchen Systemen, dazu möchte die Task Force nun noch technische Lösungen finden.
Die nächsten Schritte
In Abstimmung mit der Österreichisch-Ungarischen Gewässerkommission wird als nächster Schritt die Detailplanung und die Ausschreibung für die Bauarbeiten der Verlängerung der Ableitung aus der Mosoni Donau bis zur Grenze durchgeführt. Der Baubeginn der Verlängerung ist für das Frühjahr 2022 vorgesehen. Über die Wasserlieferung, die Betriebsweise und die Pflegemaßnahmen wird jetzt mit den ungarischen Vertretern verhandelt.
Mit der Österreichisch-Ungarischen Gewässerkommission sollen bereits im Frühjahr 2021 die nächsten Schritte ausgearbeitet werden.
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