Der Bürgermeistergarten vor dem Museum St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt (Niederösterreich) war 2021 zum zweiten Mal Ort des Netzhaut/Ton-Film Festivals. Präsentiert wurden am 18., 19. Juni und 20. Juni 2021 unter dem Motto "Unverwüstliche Zerbrechlichkeit" eine Mischung aus Musik und Film, die die BesucherInnen in den warmen Sommernächten in die schöne Wiener Neustädter Open-Air-Location lockte.
Erst führten einstündige musikalische "Walking Concerts" mit Albin Paulus, Mira Lu Kovacs & Benny Omerzell und Lukas Lauermann, die mit Kopfhörer ausgestatteten Zuhörer durch die Stadt. In den Abendstunden standen im Bürgermeistergarten Voodoo Jürgens und die Ansa Panier sowie Ursula Strauß und Ernst Molden am Programm. Nach Einbruch der Dunkelheit wurde die Fassade des Museums St. Peter an der Sperr zur riesigen Kinoleinwand. Am Freitag lief der Spielfilm "Quo Vadis Aida" und am Samstag der Dokumentarfilm "The Euphoria Of Being". Als Überraschung am Samstag betraten die 96jährige Hauptdarstellerin des Filmes, die Tänzerin Eva Fahidi mit der Regisseurin Réka Szabó die Bühne. Mehr über
- die Filmvorführung "The Euphoria Of Being" & das Interview mit Éva Fahidi - hier
- das Walking Concert von Mira Lu Kovacs & Benny Omerzell - hier
- den Auftritt von Voodoo Jürgens und die Ansa Panier - hier
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Fotos (c): AP, PK, SCHNAPPEN.AT
The Euphoria of Being, der Dokumentarfilm & das Interview
"The Euphoria Of Being", der Dokumentarfilm von Réka Szabó erzählt im Rahmen einer Tanz-Performance die Geschichte der 96jährigen ungarischen Tänzerin Éva Fahidi, die das Konzentrationslager überlebte. Der Film ist eine Art tänzerische Zeitreise, in dem Fahidi von der Zeit erzählt, als sie ihre Familie im Konzentrationslager verloren hat, als Menschen nicht mehr als Menschen wahrgenommen wurden.
In "Euphoria Of Being" verarbeitet Eva Fahidi, die Überlebende des Holocausts, in Form einer Tanzperformance mit der Tänzerin Emese Cuhorka ihre Vergangenheit.
Die Seele der Dinge
Erst 59 Jahre nach den grausamen, furchtbaren Erlebnissen im Konzentrationslager war Eva Fahidi in der Lage darüber zu sprechen. Eva Fahidi veröffentlichte das Buch "Die Seele der Dinge" und wird seit 2019 als Hauptdarstellerin im Film "The Euphira of Being" gefeiert.
"Fühle mich wie 16"
Nach der Filmvorführung in Wiener Neustadt betrat die 96jährige Tänzerin Eva Fahidi mit der Regisseurin und Choreographin Réka Szabó die Bühne im Wr. Neustädter Bürgermeistergarten. Eva Fahidi: "Jetzt bin ich 16. Ich bin jung. Ich hab immer das Gefühl gehabt, dass ich jung bin."
Ungeschminkt
Eva Fahidi steht ungeschminkt vor der Kamera: "Wenn sich eine alte Frau schminkt sieht sie aus wie eine ausgemalte Mumie. Ich möchte nicht wie eine ausgemalte Mumie aussehen."
Lebensfreude
Éva Fahidi strahlt nicht nur im Film sondern auch auf der Bühne in Wiener Neustadt Lebensfreude aus: "Man hat mich immer sehr geliebt und ich war in dieser Hinsicht sehr verwöhnt. Ich brauche es, dass mich die Menschen lieb haben und ich habe viele Menschen lieb. Ich will mich immer in die Haut von anderen Menschen hineinfühlen und die Welt in den Augen des Anderen sehen und verstehen, warum ein anderer das tut und schafft, was er gerade tut."
Auschwitz
Fahidi, die Ungarin die auch Deutsch und Englisch spricht, über das Trauma: "Bei mir hat es 59 Jahre lang gedauert, bis ich über Auschwitz, den Verlust meiner Familie und mein schreckliches Trauma gesprochen habe."
Fahidi weiter: "Das Wichtigste ist, dass die Jugend aus erster Hand darüber informiert wird. Gerade in Ungarn ist die Jugend sehr offen und interessiert. Ich habe immer das Gefühl, dass sich die Jugend enttäuscht fühlt, weil die Geschichte nicht so vorgetragen wird, wie sie passiert ist."
Darf nicht mehr passieren!
Fahidi warnt vehemt: "Für uns, die überlebt haben, ist es das einzige Ziel, dass die Geschichte nicht verfälscht oder verschwiegen wird, denn sonst kann es noch einmal passieren und das darf nicht noch einmal passieren."
Die 96jährige über die Angst vor der Zukunft: "Manchmal hab ich das Gefühl, dass es nicht noch einmal passieren kann, sondern dass es noch einmal passieren wird. Ich habe das schlechte Gefühl. Es sind jetzt 76 Jahre vergangen und wenn man in die Welt schaut, findet man keine Hinweise, dass sich die Welt verbessert. Man sieht leider überall, dass es immer nahe dazu kommt, was einmal schon gewesen ist."
Kriegsverbrecher & Macht
"Ich habe erlebt, dass normale, gute Menschen auf einmal eingewickelt waren und zu Kriegsverbrecher geworden sind. Von sich aus wären sie nie dazu gekommen. Sie haben es nicht einmal bemerkt, sie wurden schön langsam eingezogen."
Fahidi über die Erfahrung, dass es mit Schimpfwörtern begonnen hat und beginnt: "Ich weiß, was ein junger Mensch heute nicht weiß. Man sagt zum Beispiel irgendwo Saujude oder Sauzigeuner. Ich weiß, dass das Ende im Krematorium ist. Es ist eines nach dem anderen gekommen und dann steht man vor einer Situation, wo man nichts mehr dagegen tun kann. Da ist die Macht schon zu groß."
Vorsicht vor Macht
Fahidi rät zu Vorsicht vor Macht: "Eigentlich sollte man nicht bis dahin kommen, das ist das einzige was man tun kann. Irgendwie verhindern, dass die Welt zu der Situation kommt, wo so viel Macht in der Hand von Menschen ist, dass sie damit alles tun können. Und wenn sie es tun können, dann tun sie es auch.
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