80 Prozent der Burgenländischen Industrieunternehmen haben Probleme, ihre offenen Stellen zu besetzen. Neben der Rohstoffknappheit ist der Fachkräftemangel das größte Hindernis auf dem Weg zum Wirtschaftsaufschwung. Manfred Gerger von der Industriellenvereinigung, der IV Burgenland setzte sich am 29. Juni 2021 mit Christian Strasser von PET 2 PET, Lisa Marchhart von der Marchhart GmbH, Andreas Schabhietl von der Porr Bau GmbH und Michael Dinhobl vom MedTrust zusammen, um über Lösungen zu diskutieren. Mehr über
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Fotos: IV Burgenland
"Trotz hoher Arbeitslosenzahlen, kaum Bewerbungen und fehlender Wille zu arbeiten"
"Die Krise hat gezeigt, dass hohe Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel keineswegs im Widerspruch stehen. Und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, da sich zum einen die Kompetenzanforderungen wandeln und es zum anderen einen demografischen Rückgang gibt. Die Folge von fehlendem Personal ist, dass Aufträge nicht mehr abgearbeitet werden können und damit Wertschöpfung verloren geht", so Manfred Gerger, Präsident der IV Burgenland, über die derzeitige Problematik in der Industrie.
Sucht vergebens Mitarbeiter
Christian Strasser von PET 2 PET hat es geschafft, das Unternehmen ohne Unterbrechung und ohne Freisetzung von Mitarbeitern durch die Corona-Pandemie zu führen. Seit Monaten versucht er weitere Mitarbeiter zu rekrutieren: "Trotz hoher Arbeitslosenzahlen kommen nicht einmal ausreichend Bewerbungen, um Planstellen zu besetzen. Vom Willen zu arbeiten, ganz zu schweigen."
Fachkräftemangel dramatisch
Die Auswirkungen des Fachkräftemangels seien dramatisch, warnt Strasser: "Wenn es uns nicht gelingt, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, können die Anlagen nicht mit voller Leistung betrieben werden. Fehlende Mitarbeiter führen zu einer Minderung der Produktionsleistung, obwohl die Nachfrage sehr groß ist."
Fehlt an Qualifikationen
Auch Lisa Machhart von der Marchhart GmbH sucht Mitarbeiter für den technischen und kreativen Bereich: "Durch die Corona-Pandemie kennt man heute Begriffe wie „Virenbelastung“ und „HEPA Filter“. Das Gehäuse dazu, in denen diese Filter zur Abwehr der Viren eingebaut sind, muss jedoch auch entwickelt werden. Dazu fehlen uns aber Konstrukteure, die out-of-the-box denken und neue, innovative Lösungen für unsere Produkte finden."
Roboter
Dass Roboter Arbeitsplätze ersetzen würden, widerlegt Marchhart: "Trotz Digitalisierung und Einsatz von Robotern suchen wir immer noch den klassischen Schlosser als Fachmann für Metall. Ein Roboter nimmt dem Mitarbeiter nur die Handhabung ab - wie etwas zu schweißen ist, muss noch immer der Facharbeiter beurteilen und festlegen."
Elektriker, Schlosser
Auch bei PET 2 PET sind Stellen wie Schichtleiter, Schlosser, Elektriker, Staplerfahrer bis hin zu Sortierkräften ausgeschrieben, jedoch fehle es an Bewerbungen, betont Strasser.
Künstliche Intelligenz
Manfred Gerger von der IV Burgenland: "Wir brauchen hoch-qualifizierte Entwickler, die den Anforderungen, welche die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz mit sich bringt, gewachsen sind. Da geht die Reise hin, da müssen wir am Ball bleiben, um unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht zu verlieren."
Lehrlinge und Facharbeiter
Die Bauindustrie und das Baunebengewerbe hat derzeit volle Auftragsbücher. Was fehlt, sind Lehrlinge und Facharbeiter. Andreas Schabhietl, Porr Bau GmbH, geht hier schon außergewöhnliche Wege, um die Suche und das Behalten von Mitarbeitern erfolgreich zu gestalten: "Da der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft nicht nur krisenbedingt, sondern ständiger Begleiter ist, müssen wir nach langfristig wirksamen Maßnahmen suchen, um Mitarbeiter zu generieren. Wir bieten daher die Möglichkeit einer innerbetrieblichen, lebenslangen Weiterbildung und attraktive Entwicklungschancen, um unsere Fachkräfte langfristig ans Unternehmen zu binden."
IV-Burgenland Präsident Manfred Gerger fordert, dass "die Politik und Gesellschaft den Fachkräftemangel endlich als zentrale Herausforderung für Aufschwung und Wachstum der nächsten Jahre erkennen und eine Gesamtstrategie mit allen relevanten Themen aufsetzen."
Aus- und Weiterbildung
Besonders an den Stellschrauben Aus- und Weiterbildung, Attraktivierung der Industrielehre, verstärkte Berufsorientierung in Schulen, mehr MINT für Kinder ab dem Kindergarten, Verbesserung der Vermittlung von Grundkompetenzen im schulischen Bereich, eine bessere und effizientere Vermittlung von arbeitslos gemeldeten Personen in den ersten Arbeitsmarkt, eine verbesserte, qualifizierte Zuwanderung und besonders das Thema Frauenbeschäftigung & MINT – Berufe ist schnellstens zu drehen.
Mangelt an Entscheidungen
"Eine große Unbeweglichkeit hemmt unser wirtschaftliches Fortkommen. Von staatlichen Einrichtungen bis auf die persönliche Ebene mangelt es an schnellen, flexiblen Entscheidungen", sieht auch Michael Dinhobl, MedTrust, grobe Versäumnisse bei der Bewältigung des Problems.
Zu Tode reglementieren
"Wir haben derzeit eine große Chance, den Wirtschaftsaufschwung zu nutzen. Das darf nicht an der Unbeweglichkeit und einem zu Tode reglementieren zunichte gemacht werden", so Dinhobl.
Chancen groß - endlich nützen!
"Nur die hohe Arbeitslosigkeit zu bejammern und reflexartig mit neuen Belastungen für Unternehmer und noch höheren Sozialleistungen zu reagieren, sind Instrumente aus der Mottenkiste und bringen uns nicht weiter. Wir müssen die anstehenden Fragen beantworten und umsetzen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Die Chance, einen interessanten und gut bezahlten Job in der heimischen Industrie zu finden, war selten so groß, wie heute. Aber Chancen muss man auch nützen", so Manfred Gerger.