"Der Schilfgürtel bei Jois am Neusiedler See im Burgenland (Österreich) stand am 13. Jänner 2024 teilweise in Flammen. Grund dafür war die Brandschutzübung, die von rund 100 Einsatzkräften des Roten Kreuzes und der Polizei sowie Behördenvertretern und etwa 300 Feuerwehrleuten durchgeführt wurde.
Ziel der Übung
Ziel war es Erfahrungswerte für künftige Brandereignisse und mit dem begleitenden umweltökologischen Monitoring Erkenntnisse für das Schilfmanagement durch kontrolliertes Abbrennen zu gewinnen. Die während der Übung erstellten Messergebnisse zu Klima, Umwelt und Luftgüte werden in den nächsten Wochen und Monaten ausgewertet.
Alles gut verlaufen
"Wichtig ist, dass diese Übung mit den rund 400 Einsatzkräften sicher über die Bühne gegangen ist und niemand verletzt wurde. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure wie den Sonderdiensteinheiten der Feuerwehren, der Polizei und den Verwaltungsbehörden hat sehr gut funktioniert. Was bei den Übungen erprobt wird, ist im Ernstfall bei Brandereignissen, wenn es um die Sicherheit der Bevölkerung geht, entscheidet", erkärten Landeshauptmann Stellvertreterin Astrid Eisenkopf und Landesrat Heinrich Dorner nach der Brandschutzübung in Jois.
Mehr über
- die Brandschutzübung 2024 am Neusiedlersee - hier
- das Schilfabbrennen am Neusiedlersee, den Naturschutz & die Wirtschaft & Lokalaugenschein 2020- hier
- das EU-Projekt "Nachhaltige Schilferntetechnik" - hier
- Oktober 2022: Amphibienbaggern entfernen Schlamm aus dem See - hier
- das Burgenland auf Burgenland - Aktuell
Fotos (c): Bgld. Landesmedienservice
Großeinsatz am Neusiedler See
"Für die Feuerwehren war die Übung ein technischer Erfolg. Die Ziele konnten weitgehend erreicht werden", so Anton Kandelsdorfer, Bezirksfeuerwehrkommandant Neusiedl am See.
Kandelsdorfer weiter: "Alle Übungseinheiten konnten ihre Aufgaben erproben. Auch die Funktionen des Bezirksführungsstabes konnten erfolgreich getestet werden."
Trockene Sommer & Verschilfung
Die gewonnenen Erkenntnisse dieser Übung werden in die künftigen strategischen Planungen von Behörden und Feuerwehren bei Katastropheneinsätzen aufgenommen. Trockene, heiße Sommer und die fortschreitende Verschilfung des Neusiedler Sees stellen die Feuerwehren rund um den Neusiedler See vor immer größere Herausforderungen.
Vermehrt große Brände
Es ist bereits in den vergangenen Jahren vermehrt zu großen Bränden im Schilfgürtel gekommen, bei der auch Infrastruktur, bestehende Gebäude und Wirtschaftsanlagen durch Feuer bedroht waren. Aus diesem Grund war die Übung für die Florianis extrem wichtig.
Bei der Großübung im Uferbereich des Sees in der Gemeinde Jois ging es auch darum, präventiven Maßnahmen wie Kanäle, Schneisen oder Gräben und zusätzliche Vorkehrungen zu testen. In der Praxis wurde erstmals das Zusammenspiel der neu gegründeten Sonderdiensteinheiten Vegetationsbrandbekämpfung (VBB) des Burgenländischen Landesfeuerwehrverbandes und den Drohneneinheiten mit den bestehenden Einheiten wie Flug- und Wasserdienst geprobt.
Brandmanagement Schilfgürtel
Um den Schilfgürtel nachhaltig zu erhalten und zu verbessern, müssen Maßnahmen zum Erhalt und der Pflege des Schilfgürtels laufend evaluiert und neu beurteilt werden. Das Abbrennen von Schilf ist seit Mitte der 1990er Jahre per Bundesgesetz (Bundesluftreinhaltegesetz) verboten. Dabei wurde in einem EU-Projekt von 2018 empfohlen, dass unterschiedlich alte Schilfbestände für die Vogel- und Amphibienwelt am besten wären.
BirdLife und WWF: "Schilfabbrennen erlauben"
Sowohl BirdLife als auch der WWF haben zum Abschluss des EU-Projektes empfohlen, das Abbrennen von Schilf am Neusiedler See zu erlauben, damit die Schilfbestände für die Tierwelt in der Natura 2000-Region attraktiv bleiben.
Biodiversität
Relevante Aspekte bei den Untersuchungen während der Großübung waren unter anderem Biodiversität, die Luftgüte und eine Treibhausgasbilanz.
Das Land Burgenland verfolgt das Ziel - sofern es die Ergebnisse des Monitorings zulassen - eine Änderung des Bundesluftreinhaltegesetzes zu erwirken, damit ein kontrolliertes Abbrennen des Schilfs wieder erlaubt wird, was für das Natura-2000 Gebiet Neusiedler See von immenser Bedeutung wäre.
Verantwortlich
Die Brandschutzübung mit dem wissenschaftlicher Begleitung wurde in Abstimmung von Land Burgenland, dem Burgenländischen Landesfeuerwehrverband und dem Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt durchgeführt.
Für die Projektkoordination des begleitenden umweltökologischen Monitorings mit allen involvierten Stellen war die Biologische Station Illmitz verantwortlich.
Monitoring Brandschutzübung
Für das begleitende umweltökologische Monitoring zur Brandschutzübung unter der Koordination der Biologischen Station Illmitz wurden mit der BOKU Wien (untersucht die Kohlenstoffbilanz und damit den Einfluss auf das Klima), der UNI Wien (Auswirkungen auf die Schlammbildung), TU Wien (Entwicklung eines Biomassemodells), Geosphere Austria (unterstützt bei der Ausbreitungsberechnung und Emissionsmodellierung der Luftschadstoffe), DWS Hydro-Ökologie (untersucht die Auswirkungen auf die Wasserökologie), Herpetologische Gesellschaft (untersucht die Auswirkungen auf die Amphibien), WWF Österreich (Studie zu Brandschutzmaßnahmen auf Naturschutzflächen im internationalen Vergleich) und BirdLife (Vogel-Monitoring) namhafte Partner mit ins Boot geholt.
Einsatz-Infos
Die Übungsziele im Detail:
· Wirksamkeit von Brandschutzschneisen
· Einsatz der Vegetationsbrandbekämpfungseinheiten (VBB) bei Schilfbränden
· Einsatz des Flugdienstes in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Inneres
· Mannschaftstransport und Anlanden mit Feuerwehrbooten, geländegängigen Fahrzeugen (ATV) und Pickup-Kleinlastkraftwagen
· Geländegängiges Kettenfahrzeug (Hägglund) mit Löschwassertank, Honda-Pumpen, eventuell Tragkraftspritzen (TS) für die Vegetationsbrandbekämpfungseinheiten (VBB-Einheiten)
· Messungen von Schadstoffen und der Temperatur mit Unterstützung von Drohnen
Eine Übersicht zu den teilnehmenden Feuerwehren und Einsatzmittel:
· Feuerwehren Jois, Kaisersteinbruch, Weiden und Winden
· Landesfeuerwehrkommando (LFKdo), Einsatzleitfahrzeug (ELF), PickUp-Kleinkraftwagen, geländegängiges Fahrzeug (ATV), Mannschaftstransportfahrzeuge (MTF). Motorzillen
· Flugdienst (Hubschrauber des Innenministeriums) mit Löschtank („Bambi Bag“)
· Drohnenstützpunkte
· Hägglund der Betriebsfeuerwehr (BTF) vom Flughafen Wien
· Vegetationsbrandbekämpfungseinheiten der Bezirke Neusiedl und Oberpullendorf ab 07.30 Uhr am 13. Jänner 2024
· Vegetationsbrandbekämpfungseinheiten der Bezirke Eisenstadt-Umgebung sowie auch der Freistädte Eisenstadt und Rust ab 11.45 Uhr am 13. Jänner 2024
· Großtanklöschfahrzeuge (GTLF) der Wehren Gols und Parndorf (in Bereitschaft)
· Boote Neusiedl und Rust, Zillen Jois und Purbach (witterungsabhängig)
· Pressebetreuung durch das Bezirksfeuerwehrkommando Neusiedl im Feuerwehrhaus Jois
· Rotes Kreuz
Schilfabbrennen am Neusiedler See: Naturschutz & Wirtschaft
"Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees gehört zu den größten Schilfbeständen Europas und beherbergt eine einmalige Vogel- und Amphibienwelt. Gleichzeitig ist die Schilfnutzung ein Wirtschaftsfaktor in der Region. Nur wenn wir die vielfältigen Ansprüche an den Schilfgürtel unter einen Hut bekommen, erreichen wir unser gemeinsames Ziel, den dauerhaften Erhalt des Schilfgürtels zu garantieren", so Umweltlandesrätin und Burgenlands Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf über die Empfehlung des EU-Projektes, zusammenbrechende Altschilfbestände durch Abbrennen zu verjüngen.
Am 14.12.2020 trafen sich die LH-Stellvertreterin und Vertreter vom WWF Österreich, BirdLife Österreich und den Esterhazy Betrieben bei Schilfschneider Markus Brunner von reedmaX zum Lokalaugenschein. Mehr über
- WWF-Experte fordert Prüfung wegen "Schilf abbrennen" - hier
- "Verantwortung für geschützte Arten, die im Schilfgürtel leben" - hier
- Folgen für den Lebensraum im Schilfgürtel - hier
- das EU-Projekt "Nachhaltige Schilferntetechnik" - hier
- Oktober 2022: Amphibienbaggern entfernen Schlamm aus dem See - hier
- das Burgenland auf Burgenland - Aktuell
Fotos (c): Bgld. Landesmedienservice, Prinz/SCHNAPPEN.AT
EU-Projekt "Schilferntetechniken und Monitoring-Schilfgürtel"
Sowohl Natur- und Artenschutz als auch die regionale Wirtschaft, wie etwa Schilferntebetriebe müssen sich aufgrund der Klima- und der Biodiversitätskrise am Neusiedlersee in Österreich an neue Bedingungen anpassen. Deshalb wurde, mit dem Ziel, für ein optimales Management des Schilfgürtels eine seriöse Datenbasis zu schaffen, bereits 2018 ein breit angelegtes EU-Naturschutuzprojekt gestartet.
Schilfvögel & Amphibien
Das Naturschutzprojekt "Entwicklung nachhaltiger Schilferntetechniken und Monitoring-Schilfgürtel Neusiedler See", das 2020 ausläuft, sollte das Vorkommen und den Erhaltungszustand von Schilfvögeln und Amphibien sowie die Auswirkungen der Schilfbewirtschaftung näher untersuchen.
Molche, Unken, Kröten
Aus den Ergebnissen sollten Vorschläge für ein besseres Management des Schilfgürtels abgeleitet werden. Abgesehen vom Vögel-Monitoring gibt es erstmals auch einen Überblick über die Amphibienfauna (Molche, Unken, Frösche und Kröten) des Schilfgürtels.
Seefrosch
Demnach treten Amphibien zwar in großer Artenzahl und reproduzierenden Beständen auf, sie sind aber nur in relativ geringer Dichte vorhanden. Im Vergleich zu den 1980er Jahren hat sich die Bedeutung der landnahen Schilfbereiche für Amphibien stark verringert. Teichfrosch und kleiner Wasserfrosch, die in den 1980er Jahren einzigen Wasserfrosch-Taxa am Neusiedlersee, wurden im Schilfgürtel zwischenzeitlich fast vollständig durch den Seefrosch ersetzt.
Projekt-Empfehlung "Schilf abbrennen": WWF fordert Prüfung
Eine der bemerkenswertesten Empfehlungen des EU-Projektes ist, den derzeit aus Luftreinhaltegründen untersagten Einsatz von Feuer wieder zu gestatten. Mit dem Einsatz von Feuer und einem kontrollierten und überlegten Abbrennen des Schilfs sollen lt. EU-Projekt Altschilfbestände verjüngt werden können. Ohne Abbrennen werden Alt-Schilfflächen oft niedergewalzt, um die Ernte im Vogeljahr vorzubereiten.
"Wildes Drauflosbrennen"
Bernhard Kohler, Naturschutzexperte beim WWF: "Diese Notlösung ist aus Naturschutzsicht sehr problematisch und bringt zudem einen geringeren Ernteertrag mit sich." Der Naturschutzexperte fordert eine genaue juristische, umweltpolitische und logistische Prüfung eines möglichen Feuereinsatzes: "Wildes Drauflosbrennen ist keine Lösung. Bedenken hinsichtlich Klimaschutz und Sicherheit müssen abgeklärt und ein gut überlegten Rotationssystem erarbeitet werden."
"Verantwortung für viele geschützte Arten"
"Als Teil des Europaschutzgebiets Neusiedler See-Seewinkel/Nordöstliches Leithagebirge tragen wir eine hohe internationale Verantwortung für die vielen geschützten Arten, die hier im Schilfgürtel leben. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Schilfernte, die durch Ausbleiben der winterlichen Eisdecke schwieriger geworden ist, auch weiterhin schonend durchgeführt werden kann. Mit den neu erstellten Daten gibt es jetzt eine aktuelle und seriöse Grundlage für ein schonendes Management des Schilfgürtels", erklärt LH-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf.
Gut geplanter Feuereinsatz
Zwar müsse die Nationalpark-Naturzone von einem solchen Eingriff ausgenommen sein, außerhalb davon könnte ein gut geplanter Feuereinsatz eine echte Hilfe für den Vogelschutz und die regionale Wirtschaft darstellen.
Erstmals gibt eine Flächenbilanz des Schilfgürtels einen Überblick über Alter und Struktur des Schilfs sowie über die Ausdehnung der Ernteflächen und die Lage von geschädigten und absterbenden Flächen.
Vogelwelt
Eine Bestandserhebung der Schilfvögel hat gezeigt, dass ganz junge, häufig geschnittene Schilfbestände wenig Bedeutung für die Vogelwelt haben. Mit einer alljährlich auf denselben Flächen erfolgenden Schilfernte können die Vogelbestände nicht erhalten werden.
"Die meisten Vogelarten im Schilfgürtel nutzen in erster Linie älteres, längere Zeit nicht genutztes, strukturreiches Schilf. Gleichzeitig verringert sich aber auch die ornithologische Bedeutung von Altschilfflächen nach etwa 15 bis 20 Jahren. Das gilt sogar für spezialisierte Altschilf-Arten, wie den Rohrschwirl, den Mariskensänger und das Kleine Sumpfhuhn", erläutert Michael Dvorak, Naturschutz-Experte von Birdlife Österreich.
Folgen für den Lebensraum im Schilfgürtel
Verjüngung des Schilfgürtels
Dvorak weiter: "Eine periodische Verjüngung des Schilfgürtels hätte für den Vogelschutz sehr positive Folgen. Dazu wären gut überlegte Eingriffe in entsprechenden Zeitabständen und in der richtigen Dosierung nötig."
Matthias Grün, Geschäftsführer der Esterhazy Betriebe GmbH: "Die Schilfernte ist insgesamt rückläufig und konzentriert sich derzeit auf die landseitigen Teile des Schilfgürtels. Dennoch ist es wichtig, dass die Ernte in den bewirtschafteten Gebieten in einer naturschonenden Form abläuft. Anders als zuletzt angenommen, hängt die Gefahr einer Schädigung von Schilfbeständen nicht so sehr von der Verwendung bestimmter Maschinen, sondern mehr von der Art ab, wie diese Maschinen eingesetzt werden."
Lebensraum Schilf
Grün über das EU-Projekt: "Im Projekt wurden die Best practice-Erfahrungen erfahrener Schilfschneider gut dokumentiert. Gelöst werden muss die Frage der Vorbereitung der Ernteflächen, um die Nachhaltigkeit der Schilfernte sicherzustellen. Als verantwortungsvolle Grundbesitzer sind wir natürlich daran interessiert, sowohl die wirtschaftliche Ressource als auch den Lebensraum Schilf dauerhaft zu erhalten."
"Für eine schonende Bewirtschaftung ist es entscheidend, die Ernteflächen nicht wiederholt zu befahren, Fahrgeschwindigkeit und Rhythmus gleichmäßig zu halten und Wendemanöver bodenschonend durchzuführen. Bei umsichtiger Handhabung scheinen auch die derzeit vorwiegend verwendeten Raupenfahrzeuge keine oder nur geringe Schäden zu verursachen", fügt Markus Brunner, Schilfschneider, Firma reedmaX hinzu.
"Zukunft hängt davon ab"
"Gerade die Schilferntebetriebe müssen die naturschonende Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten im Auge behalten. Schilf kann sehr produktiv sein, es ist aber auch sehr empfindlich. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie wir es behandeln", gibt Brunner zu Bedenken.
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