"Vielen Händlerinnen und Händlern geht es sehr schlecht", erklärt Andrea Gottweis, Obfrau der Sparte Handel in der burgenländischen Wirtschaftskammer und appeliert an alle Konsumenten: "Kauft im Burgenland! Das sichert Arbeitsplätze und die Vielfalt der Handelslandschaft in unserem Land."
Spartengeschäftsführer Thomas Jestl von der WKO Burgenland über die 5.590 Betriebe, die über eine oder mehrere Gewerbeberechtigungen im Bereich des Handels verfügen: "Die durch Corona ausgelösten Insolvenzen werden meiner Einschätzung nach erst mit einer Zeitverzögerung im Herbst oder Anfang nächsten Jahres kommen." Am 11. August 2020 nahmen die Wirtschaftsexparten bei einem Pressegespräch im WKO-Gebäude in Eisenstadt Stellung. Mehr über
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- die Gewinner: Lebensmittel & Heimwerker und die Modebranche als Verlierer - hier
- Unterstützungs- und Konjunkturmaßnahmen - hier
- Was braucht der heimische Handel, was hat die Politik zu tun? - hier
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Fotos (c): Apri/SCHNAPPEN.AT
Entwicklung im Handel: Lockdown, Pleitewellen & Beschäftigte
Thomas Jestl, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Burgenland: "Die Corona-Pandemie hat im burgenländischen Einzelhandel deutliche Spuren hinterlassen. Ab dem Lockdown im März hatten wir Umsatzeinbrüche, die in dieser Form noch nie da waren."
"Der Handel ist mit 600.000 Beschäftigten österreichweit und 18.500 Beschäftigten im Burgenland der zweitgrößte Arbeitgeber und hat ein Drittel der Beschäftigen insgesamt", sieht Andrea Gottweis, die Obfrau der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Burgenland, ein kontinuierliches Wachstum in den vergangenen zehn Jahren im Bereich Handel.
Unternehmerin Gottweis ruft zur Senkung der Abgaben und Lohnnebenkosten auf, um die Wirtschaft flexibler zu machen und meint: "Die Corona Kurzarbeit und der Fixkostenzuschuss sind essenzielle Unterstützungsmaßnahmen um den Handel weiter in Schwung zu bringen und Arbeitsplätze zu sichern."
Resumee im burgenländischen Handel & bevorstehende Pleiten
Bei der Entwicklung während der Conoa-Krise sehe man, so Gottweis, dass "sich sinkenden Umsatzzahlen auf die Beschäftigten auswirken, aber ländliche Regionen durchaus stabiler sind".
"Pleiten in den nächsten Monaten"
"Es ist schon eine sehr dramatische Entwicklung. Insgesamt fürchten sich bis zu einem Viertel der Unternehmen, dass sie diese Krise nicht überleben werden", erläutert die Wirtschaftsexpertin.
Pleiten im Herbst
Gottweis weiter: "Es wird im Herbst und in den nächsten Monaten einige Pleiten geben und dem österreichischen Handel droht eine Pleitewelle."
Österreich im europäischen Durchschnitt
Jestl: "Es ist so, dass wir im burgenländischen Einzelhandel von einem Umsatz im ersten Halbjahr 2020 von cirka einer Milliarde netto ausgehen. Wenn man die Kernmonate des Lockdowns März und April rausgreift, zeigt sich ein Minus von cirka 50 Milionen Euro netto."
Im europäischen Verlgeich lag zum Beispiel im April 2020 der Einzelhandel in Österreich mit einem Minus von 18,1 Prozent im Durchschnitt der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Italien verzeichnete ein Minus von 32,8 Prozent und Finnland ein Minus von 0,7 Prozent.
Zukunftsängste, Arbeitslose & Ungewissheit
"Der Einzelhandel ist einer der am meisten betroffenen Branchen und die ökonomischen Auswirkungen sind sehr massiv. Auch weil sich die Umsatzrückgänge nur langsam erholen. Der Konsument ist nach wie vor sehr verhalten. Es gibt Zukunftsängste, allein im Burgenland 10.000 Arbeitslose, Kurzarbeiten und es gibt die Ungewissheit, wie sich Covid im Herbst, wenn es kühler wird, entwickeln wird", erklärt Obfrau Gottweis.
Modebranche: Dramatische Rückgänge
Wie hat es nun die einzelnen Branchen getroffen?
Jestl: "Der Lebensmittelhandel verzeichnete insgesamt im ersten Halbjahr 2020 ein Plus von 10,4 Prozent und die Bau- und Heimwerkerbetriebe ein Plus von 1,2 Prozent. Sonst gibt es im Handel allerdings nur Branchen, die im Halbjahresschnitt ein deutliches Minus verzeichnen mussten. Vor allem die Mode-Branchen mussten im Halbjahr betrachtet dramatische Rückgänge mit einem Minus von 25 bis 30 Prozent hinnehmen."
Kaufverhalten Modebranche
"Vor allem im Bereich Mode ist das Kaufverhalten noch immer sehr gebremst. Das Kaufverhalten im Bereich der Mode wird jetzt zwar schön langsam, aber es ist noch nicht so wie vor der Krise. Wir hoffen auf eine positive Entwicklung", erläutert Thomas Jestl.
KMU-Forschung & zukunftsfähige Betriebe
Die KMU Forschung Austria hat im Auftrag der Wirtschaftskammer 306 Jahresabschlüsse von burgenländischen Handelsunternehmen analysiert um festzustellen, welchen Umsatz der Betrieb braucht, um in der Gewinnzone zu bleiben.
Das Ergebnis: Cirka 50 Prozent der Betriebe benötigen einen Mindestumsatz von 79 Prozent vor der Corona-Krise, um nach der Krise zukunftsfähig zu sein.
Zuversicht trotz Unsicherheit
Andrea Gottweis zuversichtlich: "Hoffnung gibt es, aber es ist noch sehr viel Unsicherheit gegeben."
Unterstützungs- und Konjunkturmaßnahmen
Jedenfalls setzt die Wirtschaftskammer die Unterstützungs- und Konjunkturmaßnahmen der Regierung, wie zum Beispiel:
- Härtefall- Fonds,
- den Fixkostenzuschuss,
- die Corona-Kurzarbeit, die ab 1. Oktober 2020 um weitere sechs Monate verlängert wird,
- die Kreditgarantien und Haftungen sowie Stundungen von Steuern und Abgaben,
- den Bonus von 2.000 Euro für aufgegenommene Lehrlinge und
- die Investitionsprämien, die ab 1.9.2020 beantragbar sind.
Was braucht der heimische Handel?
Andrea Gottweis: "Internationale Steuergerechtigkeit, keine weitere Aufschiebung der EU-weiten Abschaffung der 22 Euro Mehrwertsteuerfreigrenze für Lieferungen aus Drittstaaten, Senkung der Lohnnebenkosten und der Abgabenquote, wie der Körperschaftssteuer und der Ausbau der Kreislaufwirtschaft zur Erreichung von Umweltzielen wie der Einführung eines neuen Pfandsystems."
"Es braucht Entlastungen für die Unternehmen, damit es zu einer Kaufkraftstärkung kommt", gibt Gottweis zu Bedenken.
Was kann das Unternehmen tun?
Obfrau Gottweis: "Service ausbauen, den persönlichen Kontakt zum Kunden stärken. Je besser es das Unternehmen schafft die Kunden zu binden, desto besser funktioniert es. Dramatisch betroffen sind natürlich die Tourismusregionen, dort wo viele Fremde Menschen fehlen. Dort wo es Stammkunden gibt, dort wo man regional tätig ist, dort funktioniert es besser."
Schritt-für-Schritt zum Normalmodus
Gottweis weiter: "Ich denke, es ist das Rezept für die Zukunft, durch innovative Ideen die Kauflaune zu heben. Auch denke ich, dass man unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften versuchen sollte, ins normale Leben wieder zurückzukommen. Natürlich ist die Angst groß und man muss die Entwicklungen abwarten, aber es wichtig, dass man Schritt-für-Schritt in den Normalmodus zurückkehrt. Zu schauen, dass die Menschen wieder Lust bekommen, einkaufen zu gehen".
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