Im Gespräch mit SCHNAPPEN.AT schildert Georg Schweitzer, der Geschäftsführer der Wein Burgenland Ende April 2020, wie die Winzer des Landes neue Wege beschreiten, um die Krise gut zu bewältigen. Wege, die auch nach der Krise neue Perspektiven eröffnen. Mehr über
- Österreicher trinken 240 Millionen Liter Wein pro Jahr: Verlust nicht aufholbar - hier
- Kurzarbeit, Stundungen & Internet-Events - hier
- Online-Verkauf angestiegen & neue Vertriebsformen eröffnet - hier
- die virtuelle Weinverkostung - hier
- die Frage, ob Menschen in der Krise mehr Wein trinken - hier
- den heimischen und den internationalen Weinmarkt - hier
- Arbeitsalltag bei der Marketingorganisation "Wein Burgenland" - hier
- die veränderte Weinwelt und den gestärkten Kontakt zum Konsumenten - hier
- das Team & die aktuellen Themen der Wein Burgenland - hier
- weitere Interviews über die Auswirkungen und Chancen der Coronavirus-Krise - hier
Georg Schweitzer, Geschäftsführer der Marketingorganisation "Wein Burgenland".
Foto: Wilhelm Böhm
Österreicher trinken 240 Millionen Liter Wein pro Jahr
SCHNAPPEN.AT: Was bedeutet die Corona-Krise für die burgenländischen Winzer?
Georg Schweitzer: Die Corona-Krise hat einen großen Effekt auf die burgenländischen Winzerinnen und Winzer, da wichtige Absatzkanäle für den Wein von heute auf morgen weggefallen sind. Die Österreicher konsumieren ungefähr 240 Millionen Liter Wein pro Jahr, davon werden ca. 56% in der Gastronomie oder bei Events getrunken.
Online-Verkauf kann Verlust nicht aufholen
90% davon sind österreichischer Wein, somit werden derzeit ca. 10 Millionen Liter Wein pro Monat weniger getrunken. Diese Kanäle sind seit ein paar Wochen komplett geschlossen, es gibt sogar Betriebe und Händler die gelagerten Wein an den Winzerinnen und Winzer wieder zurück schicken. Speziell Weinbaubetriebe die einen sehr großen Anteil ihrer Verkäufe in diesem Segment haben leiden besonders stark darunter. Der, seit Beginn der Krise gesteigerte Online-Verkauf direkt vom Produzenten kann diesen Verlust bei weitem nicht aufholen.
Kurzarbeit, Internet-Events & Social Media
SCHNAPPEN.AT: Ist die Situation existenzbedrohend?
Georg Schweitzer: Das hängt von der individuellen Situation ab, die Zahlungen der Fixkosten gehen weiter und abhängig von den finanziellen Rücklagen stellt sich die jeweilige Situation dar. Hat ein Betrieb einen sehr großen Anteil in der Gastronomie trifft es ihn natürlich viel härter als Betriebe mit einem geringeren Anteil in diesem Segment.
Kurzarbeit & Stundungen beim Finanzamt
Es gibt Möglichkeiten wie z.B. die Kurzarbeit oder Stundungen beim Finanzamt, aber der Verlust durch die geringeren Verkäufe ist sicherlich kurzfristig nicht wieder gut zu machen sobald sich die Situation wieder bessert. Langfristig werden wir davon aber noch lange etwas spüren. Es hängt alles davon ab wie lange die Situation noch so bleibt und in welcher Geschwindigkeit wir dann wieder hochfahren können.
Fachveranstaltungen über das Internet
SCHNAPPEN.AT: Wie weit kann Wein Burgenland jetzt die Winzer unterstützen?
Georg Schweitzer: Die Wein Burgenland ist die Marketingorganisation für den burgenländischen Wein und unterstützt mit seinen Aktivitäten die Bekanntheit des burgenländischen Weins im Markt. Nachdem sämtliche Veranstaltungen seit der neuen Situation abgesagt werden mussten, versucht die Wein Burgenland noch in diesem Jahr neue Termine für die Tischpräsentationen für die Öffentlichkeit und Masterclasses für das Fachpublikum in der Schweiz und Slowakei zu finden.
Gleichzeitig waren Fachveranstaltungen in Polen, Russland und den USA geplant, diese werden jetzt über den virtuellen Kanal, dem Internet, mittels online Klassen abgehalten. Ebenso haben wir unsere Social Media Präsenz erhöht um dem Burgenländischen Wein prominenter ins Rampenlicht zu rücken. Es gab unter anderem ein Gewinnspiel das sehr gut angenommen wurde und es wird immer wieder auf die weiterhin bestehende Möglichkeit den Wein direkt vom Winzer zu beziehen hingewiesen. Wir haben nun über 3.300 Abonnenten auf Facebook die sich über die Neuigkeiten informieren.
Online-Verkauf & virtuelle Weinverkostung
SCHNAPPEN.AT: Wie weit setzen die Winzer auf Online-Verkauf? Hat dies das Potential auch künftig die gängige Verkaufsform zu bleiben oder wird es wieder der Abhofverkauf bzw. was wird die Vertriebsform der Zukunft - sprich nach Corona - sein?
Georg Schweitzer: Das ist sicherlich vom jeweiligen Betrieb abhängig, aber der Online-Verkauf im Weinhandel ist angestiegen. Das inkludiert neben den Winzern auch Weinhändler und Lebensmitteleinzelhändler die von unseren Winzerinnen und Winzern den Wein beziehen.
Virtuelle Weinverkostung & Probepakete
Zusätzlich gibt es sehr viele innovative Ideen der Winzerinnen und Winzer, z.B. virtuelle Verkostungen, Probepakete anzubieten und zu verschicken und Gratis Versand die über diesen Verkaufskanal sehr gut angenommen werden.
Durch Corona Vertriebsform erweitert
Wir werden sicherlich einige dieser „neuen“ Ideen auch in der Zeit nach Corona sehen, wichtig ist immer auch aus schlechten Zeiten das positive mitzunehmen. Der Ab Hof Verkauf und somit das persönliche Erlebnis wird aber weiterhin eine Vertriebsform bleiben. Es wird somit ein erweitertes Spektrum an Vertriebsformen nach der Krise bleiben.
Erst Weinpaket bestellen, dann mit Sommelier verkosten
SCHNAPPEN.AT: Können Weinmessen und Weinpräsentationen online wettgemacht werden? Oder kann es künftig auch reale Veranstaltungen geben, zu denen die Menschen aber nur online Zugang haben - wie Geisterspiele beim Fußball?
Georg Schweitzer: Wein ist ein emotionales Produkt dass man mit seinen Sinnen erlebt. Daher wird das persönliche Erlebnis immer beim Thema Wein dabei sein. Aber die jetzige Situation zeigt uns, dass es auch weitere Möglichkeiten gibt seinen Wein zu präsentieren.
Schon jetzt gibt es online Verkostungen bei denen die Teilnehmer vorab ein Weinpaket bestellen können und dann werden die Weine gemeinsam mit der Winzerin, dem Winzer oder Sommelier verkostet und besprochen. Eine ganz „trockene" Verkostung wird sicherlich nicht die Zukunft sein, aber eine Erweiterung der Präsentationsmöglichkeiten wird erhalten bleiben.
Trinken Menschen in der Krise mehr Wein?
SCHNAPPEN.AT: Trinken die Menschen in der Krise mehr Wein?
Georg Schweitzer: Diese Frage kann ich nicht beantworten, entsprechend diversen Umfragen hat es den Anschein, dass die Endverbraucher mehr Wein zu Hause trinken, bzw. mehr Wein einkaufen. Das beinhaltet aber nicht den Gastro oder Event Bereich, der ist derzeit komplett eingebrochen.
Somit ist es vielleicht eine Verschiebung der Trinkgewohnheiten, aber das Minus ist dadurch bei weitem nicht aufzuholen. Auch wenn die Situation sich wieder ändert, wird dieser gesamte Umsatzrückgang nicht aufgeholt werden.
Welche Weinsorten sind gerade jetzt beliebt?
SCHNAPPEN.AT: Gibt es Sorten, die gerade jetzt besonders beliebt sind?
Georg Schweitzer: Das Spektrum an Sorten ist nach wie vor sehr breit gefächert, es gibt keine eindeutige Tendenz in die eine oder andere Richtung. Der neue Jahrgang 2019 der derzeit auf den Markt kommt, junge fruchtige Weine und die warmen Temperaturen, sind ein Anreiz diese Weine zu trinken, aber auch hier ist die Sortenvielfalt gegeben.
Ebenso werden gerne gereifte Weine am Trinkhöhepunkt gekauft, da im Speziellen der Burgenländische Rotwein, der Konsument kocht derzeit wieder mehr selber und da darf ein gutes Tröpferl nicht fehlen.
Der heimische und der internationale Weinmarkt
SCHNAPPEN.AT: Wie groß ist jetzt der Anteil am heimischen Markt und welche internationalen Märkte werden weiter oder können weiter betreut werden?
Georg Schweitzer: Die Österreicher trinken zu einem sehr großen Teil österreichischen Wein, in der Gastronomie waren es bis vor der Krise 90% des gesamten Weinkonsums, deshalb ist dieser Markt sehr wichtig. Aber auch das Ausland, und da ist sicherlich Deutschland, die Schweiz und die USA als wichtigste Länder zu nennen, lieben den Wein aus Österreich.
Rotweine, Weißweine und süße Weißweine
Das Burgenland kann mit seinen Roten, Weißen und Süßen Weinen auch hier sehr gute Erfolge erzielen. All diese Länder werden derzeit mit Online-Kampagnen betreut, wie schon erwähnt virtuelle Verkostungen werden abgehalten um den burgenländischen Wein den Stellenwert zu geben, den er verdient.
Aus heutiger Sicht, planen wir in Deutschland und der Schweiz ab September wieder Verkostungen vor Ort, hoffentlich lässt das die Situation dann zu. Bezüglich USA ist alles noch offen und hängt von der Entwicklung in den USA ab, neben den erwähnten online Aktivitäten können da noch keine weiterführenden Maßnahmen geplant werden.
Erntehelfer gibt es zur Zeit genug
SCHNAPPEN.AT:Gibt es in der Weingärten zur Zeit genug Helfer aus dem Ausland? Könnten es zur Lesezeit zu wenige Erntehelfer geben?
Georg Schweitzer: Nach Rückmeldung der Weinbaubetriebe gibt es unter den derzeitigen gesetzlichen Bedingungen kein Problem mit den Weingartenhelfern aus dem Ausland. Wenn das so bleibt, wird dies auch zur Ernte so sein.
Arbeitsalltag bei Wein Burgenland
SCHNAPPEN.AT:Wie läuft zur Zeit der Arbeitsalltag bei Wein Burgenland selbst?
Georg Schweitzer: Es ist natürlich anders als gewohnt, da wir unsere Veranstaltungen die wir für April 2020 in der Schweiz und der Slowakei geplant hatten, nicht durchführen konnten. Ebenso die Besuche in Polen und in Russland mussten verschoben werden. Daher nutzen wir die Zeit und arbeiten konzeptionell.
Selektion Wein Burgenland & Flüssiges Gold
Wir werden dieses Jahr eine neue Homepage bekommen, unsere Aktivitäten auf Social Media erhöhen und wir bereiten uns auf die Portfolio Verkostung für unser Tasting "Selektion Wein Burgenland" vor. Wir planen auch das zweite Halbjahr 2020 neu, um möglichst viele verschobene Termine, neben den Terminen in Innsbruck, München und Wien die bereits fixiert waren, im Herbst nachholen zu können.
Wir planen ebenso im Herbst unsere Verkostung „Flüssiges Gold“ für Süßweine zu machen. Um den Kontakt zum Ausland halten zu können, gibt es online Masterclasses bei denen das Fachpublikum entsprechend auf Burgenländischen Wein geschult wird. Es gibt auch Überlegungen in Richtung Intensivierung des Wein Tourismus, aber der ist natürlich sehr stark von der Situation in den nächsten Monaten abhängig.
Corona-Krise & positive Aspekte
SCHNAPPEN.AT: In welcher Hinsicht könnte diese Krise, positive Aspekte für die Weinwirtschaft hinterlassen?
Georg Schweitzer: Es ist die Kunst aus jeder Krise auch etwas Positives mitzunehmen. Die vermehrte Online Präsenz ist sicherlich eine davon. Die Winzerinnen und Winzer haben sehr viele innovative Ideen umgesetzt, die virtuellen Verkostungen mit Verkostungspaketen die auf Bestellung zugeschickt werden, Videos die die Herkunft der Weine näher erklären und somit die Besonderheiten des jeweiligen Weins ins Licht rücken.
Weinwelt verändert, Verbindung zum Konsumenten gestärkt
Auch Kombinationen aus Speisen und Wein werden vermehrt präsentiert, neue Weinbeschreibungen in Form von Gedichten und Liedern und vieles andere mehr wird angeboten. All das hat die Weinwelt verändert und erweitert und ich bin mir sicher dass auch dadurch die Verbindung vom Endkonsumenten zur Winzerin und dem Winzer gestärkt worden ist.
"Normale Zeiten" in der Weinwirtschaft
SCHNAPPEN.AT: Wie optimistisch sind sie, dass wir in der Weinwirtschaft bald "normalen Zeiten" entgegengehen könnten?
Georg Schweitzer: Ich bin ein positiv denkender Mensch und bin optimistisch dass wir alle gemeinsam diese herausfordernden Zeiten meistern werden. Es gibt derzeit bereits angekündigte Lockerungen in verschiedenen Bereichen, z.B. der Gastronomie. Wie auch immer diese aussehen werden, wird die Weinwirtschaft sich entsprechend anpassen und das Beste daraus machen. Was auch immer „normal“ bedeutet, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind gefragt und die burgenländischen Winzerinnen und Winzer sind bereit jederzeit die Anforderungen des Marktes zu erfüllen.