Den Weltmilchtag am 1. Juni 2020 nahmen der burgenländische Landwirtschaftskammerpräsident und einige Vertreter der Milchwirtschaft zum Anlass, um den Milchviehstall der Familie Grötschl in der 600-Einwohner kleinen Gemeinde Lackendorf im Bezirk Oberpullendorf im Burgenland zu besuchen.
"Regionalität und Herkunftskennzeichnung gewinnen immer mehr an Bedeutung", wirbt die Landwirtschaftskammer für österreichische Produkte. "Doch Bauern brauchen auch einen fairen Milchpreis, um über die Runden zu kommen", klagen Landwirte, die pro Liter Milch 32 Cent bekommen über enorme finanzielle Probleme. Bäuerin Grötschl sieht den Direktverkauf als Überlebungs-Chance. Mehr über
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Fotos (c): Prinz, SCHNAPPEN.AT
Das "Müchhaus", regionale Produkte & die Herkunftskennzeichnung
Landwirtschaftskammerpräsident Nikolaus Berlakovich, Christian Mittl als Vertreter der Berglandmolkerei sowie Walter Mühl und Otto Kaipel als Vertreter der NÖM fanden sich am 2. Juni 2020 anlässlich des Weltmilchtages mit Medienvertretern im Milchviehstall der Familie Grötschl in Lackendorf im Burgenland ein.
Nikolaus Berlakovich: "Heuer ist der Weltmilchtag unter einem ganz besonderen Vorzeichen, weil die Corona-Krise auch die Milchwirtschaft voll erfasst hat. Der Milchwirtschaft sind mit den Wirten, der Gastronomie, der Hotelerie, dem Tourismus und auch dem Exporteinbruch wichtige Märkte weggebrochen. Wir haben einen ganz gewaltigen Preisdruck bei den Milchbauern."
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Finanzieller Notstand bei Milchbauern
Von den 83 burgenländischen Milchbauern liefern 32 Betriebe die Milch an die Berglandmolkerei und 51 Betriebe an die MGN/NÖM. Aktuell liefern im Jahr 2020 sieben Betriebe ihre Milch als Bio-Milch ab. Zehn Milchbauern vermarkten ihre Milch selber.
"33 Cent pro Liter Milch sind zuwenig"
"Das große Problem ist", so Otto Kaipel von der NÖM, "unsere Milchbauern müssen von Montag bis Sonntag arbeiten. Wir erzeugen die besten Milchprodukte und müssen im Regal mit den Billiganbietern kämpfen. Kämpfen, damit wir unsere Produkte dort an den Konsumenten weiterbringen."
Aufruf an Konsumenten
Kaipel: "Wir Bauern appellieren an die Konsumenten, die Gesellschaft und die Politik, dass unsere Arbeit, die wir von Montag bis Sonntag mit unseren Frauen und Kindern leisten, wertgeschätzt wird".
Otto Kaipel gibt zu bedenken: "Es ist nicht möglich mit 33 bis 35 Cent, die wir für die Milch bekommen, unsere Betriebe finanziell über die Runden zu bringen. Wir müssen schauen, dass wir in Zukunft alle Betriebe so weit als möglich erhalten können."
Wie wird Milchwirtschaft attraktiv?
Kaipel, der selbst Milchbauer ist stellt die Frage in den Raum: "Wir sind ein Berufszweig, den jeder braucht und keiner haben möchte, das ist das große Problem. Was kann man tun, damit die Milchwirtschaft attraktiver wird?"
Notstand im Viehstall
Auch Franz Grötschl, der den Milchviehstall in Lackendorf betreibt, steht als Milchbauer vor großen Sorgen: "Ich war damals vor 15 Jahren voll Euphorie. Aber wenn ich Revue passieren lasse, muss ich sagen, dass es mich nicht mehr freut. Der Arbeitsaufwand und das Kapital stehen nicht mehr dafür. Also, ich weiß nicht, ob ich den Betrieb noch an meine Kinder übergeben kann."
Seit Jahren ein Milchpreis
Franz Grötschl klagt: "Man ist mit dem Einsatzkapital so gefesselt, dass man sich nicht mehr rühren kann. Das macht keine Freude. Wir wirtschaften nun schon seit Jahren mit dem selben Milchpreis, obwohl alles andere teurer geworden ist. Damals gab es 6 Schilling und heute 32 Cent pro Liter."
"Unfair gegenüber der Landwirtschaft"
Grötschl verzagt: "Es passt alles nicht zusammen. Man muss größer werden, damit man das erarbeiten kann. Man braucht mehr Maschinen und dann heißt es in der Bevölkerung 'industrialisierte Landwirtschaft' und das finde ich unfair."
"Wir müssen mit dem Weltmarkt konkurrieren, das können wir im Burgenland nicht. Wir haben höhere Kosten, müssen aber mit dem selben Preis produzieren", so der Milchbauer.
Finanzierungen sehr belastend
Walter Mühl, Landwirt und Vertreter der NÖM, Niederösterreichischen Molkereien: "Finanzierungen sind sehr belastend für den Landwirt, wir verdienen nicht gut."
Supermarkt - Viehstall
Mühl weiter: "Ein Supermarkt baut ein Geschäft, das sich in neun bis zehn Jahren amortisiert haben muss. Wird hingegen ein Stall gebaut, dauert das 25 Jahre. Es kann doch nicht sein, dass man 25 Jahre lang 365 Tage im Jahr schuften muß, um den Stall abzufinanzieren. Kaum ist er abfinanziert, ist er kaputt."
Wertschöpfung aus dem Ausland
Berlakovich: "In Österreich gibt es drei große Handelsketten, die den Preis machen und entsprechend groß ist der Preisdruck. Deswegen versuchen wir neue Absatzwege zu gehen und Milchprodukte aus Österreich zu exportieren, um damit Wertschöpfung aus dem Ausland zu erzielen. Und, wir laden Konsumenten ein, regionale heimische Milchprodukte zu kaufen."
Fairer Milchpreis gefordert
"Bauern brauchen einen fairen Milchpreis, damit sie über die Runden kommen", fordert Landwirtschaftskammer-Präsident Nikolaus Berlakovich.
Herkunft kennzeichnen, Hofläden & Direktvermarkter
Berlakovich über die verstärkte Kennzeichnung der Lebensmittel: "Das AMA-Gütesiegel garantiert, dass es sich um ein österreichisches Lebensmittel handelt. Schritt für Schritt wollen wir, dass auf den Lebensmitteln auch gekenntzeichnet wird, wo die Inhaltsstoffe herkommen.
Zum Beispiel sollte beim Kauf einer Mehlspeise klar ersichtlich sein, woher die Milch oder die Eier stammen. "An diesem Herkunftskennzeichnungssystem arbeiten wir, damit die Konsumenten ein deklariertes Lebensmittel kaufen können", kündigt Berlakovich neue Weg an.
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Milch aus dem Müchhaus: Innovativ & kreativ
Als erster Betrieb im Burgenland setzte die Familie Grötschl, die mittlerweile seit fünf Generationen besteht im Milchviehstallfür für die cirka 60 Kühe den Milchroboter ein.
2020 richtete die Familie Grötschl im burgenländischen Lackendorf das "Müchhaus" ein, wo von sechs bis 22 Uhr regionale Produkte, wie Milch und Käse direkt gekauft werden können.
Innovativ & kreativ
"Mit dem Selbstbedienungs-Müchhaus hat die Familie einen innovativen und kreativen Absatzweg gefunden. Dieser Trend wird stärker. Die Menschen kaufen beim regionalen Bauern regionale Lebensmittel", betont Nikolaus Berlakovich von der Landwirtschaftskammer.
Überleben durch Direktverkauf
Milchbäuerin Maria Grötschl: "Es ist sehr schwierig, Milch im Burgenland zu erzeugen. Aber wenn sich der Konsument wirklich darauf besinnt und direkt beim Bauern einkauft, dann besteht die Chance zu überleben."
Menschen schätzen regionale Lebensmittel
"Die Menschen in Österreich und im Burgenland schätzen den Wert von regionalen Lebensmitteln ganz besonders. Ein regionales, sicheres Lebensmittel, das auch garantiert da ist, hat einen großen Wert", fügt Berlakovich hinzu.
Hofläden & Direktvermarktung
Der Landwirtschaftskammer-Präsident über die positive Seite der Corona Krise, die sich vielleicht auch in Zukunft behaupten könnte: "Auch im Burgenland wurde die Direktvermarktung verstärkt in Anspruch genommen. Plötzlich hat es mehr Hofläden und Gemeinschaften, die regionale Lebensmittel verkauft haben, gegeben. Die Menschen haben auch mehr zu nachhaltigen Verpackungssystemen tendiert."