Geschäfte offen: Unternehmer klagen über "Daheimbleib"-Regel

Die österreichische Wirtschaft wird zu 99,6 Prozent von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben (bis 249 Mitarbeitern) getragen. Auch wenn bereits viele dieser Unternehmen seit 14.4.2020 wieder geöffnet haben, das Geschäft läuft kaum: Denn, einerseits empfiehlt die Regierung allen Menschen "daheim zu bleiben" und andererseits sind die Geschäfte offen. "Also jeder, der kommt, widersetzt sich ja eigentlich der 'Empfehlung' der Regierung", klagt Sabine Helm vom Betten- und Schlafstudio "traumhaft-schlafen" in 1220 Wien über die wirtschaftliche Notlage der Möbelbranche zur Zeit der Covid-19-Krise. Mehr über

Sabine und Gottfried Helm im Bettenstudio TRAUMHAFT SCHLAFEN in 1220 Wien
 
Fotos / Clip (c): Schlafstudio Helm
 
 
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"Bleib daheim" oder einkaufen gehen

SCHNAPPEN.AT: Das Schlafstudio ist nun seit Mitte April wieder geöffnet. Hat sich der Geschäftsgang bereits normalisiert?

Sabine Helm: Es ist zwar nett gemeint, aber unsere Kunden werden nach wie vor zu „bleib daheim“ aufgefordert. Also jeder, der kommt, widersetzt sich ja eigentlich der „Empfehlung“ der Regierung.

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Digitaler Verkauf im Möbelbereich

BodyscanLiegeanalyseRueckenzentrumFotoHelmSCHNAPPEN.AT: Verlagert sich zur Zeit das Geschäft in den Online-Shop?

Sabine Helm: Die verordnete Schließung setzt Händlern und auch Herstellern massiv zu. Ob da die Online-Umsätze an Möbeln und Zubehör enorm gestiegen sind, kann ich nicht beurteilen.

Fakt ist aber, dass fast alle unserer Hersteller auch die Produktion geschlossen haben oder hatten, demnach kann der Auftragseingang nicht kompensierend gewesen sein.

Persönliche Beratung & Liegeanlayse

SCHNAPPEN.AT: Wie weit kann die Liege- und Betten-Beratung online bzw. im Onlineshop abgewickelt werden?

Sabine Helm: Beratung ist mit den digitalen Möglichkeiten kein Problem.

Was online fehlt und grundlegend für unser Geschäftsmodell wichtig ist, sind die Möglichkeiten, Haptik und Liegekomfort der Waren zu transportieren sowie der persönliche Kontakt und das Kennenlernen der Kunden, ihrer Wünsche, Hoffnungen, Beschwerden, Persönlichkeit, …

Engpässe in der Produktion

SCHNAPPEN.AT: Gibt es Engpässe in der Produktion bzw. bei den Lieferanten?

Sabine Helm: Es gibt auch Engpässe bei der Rohmaterialbeschaffung und Logistik.

Einige meiner österreichischen Produzenten sind verwundert und enttäuscht, weil trotz der "kauft in Österreich“- und „gemeinsam schaffen wir das“-Parolen keine Umsätze von Bund, Ländern, Gemeinden und Organisationen gekommen sind, obwohl massenhaft Betten, Matratzen und Bettwaren eingekaufen werden mussten. Die Frage nach der Herkunft dieser Einkäufe steht auf alle Fälle im Raum.

 

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Existenz bedroht?

2020SabineUndGottfriedHelmWienFotoHelmSCHNAPPEN.AT: Ist die Situation existenzbedrohend?

Sabine Helm: Da wir hauptsächlich Aufträge mit Lieferzeit haben, wird die Auswirkung bei uns erst später sichtbar werden. In den Wochen, in denen der Kundenbereich geschlossen war, haben wir bestehende Aufträge – soweit die Waren noch gekommen sind – ausgeliefert und daher auch Einnahmen daraus gehabt.

Jedoch ist der Barverkauf komplett ausgefallen und unsere Auftragsbücher sind seit Schließung der Geschäfte fast leer. Also Mai und Juni wird sich die Auswirkung zeigen. Aufzuholen wird der Umsatzentgang wohl nicht sein.

Hilfe von Land und Bund

SCHNAPPEN.AT: Werden Sie von Land und Bund unterstützt?

Sabine Helm: Unterstützung, wie aus dem Härtefall-Fonds geht bei uns nicht, da wir ja Umsatz haben. Ansonsten zeigt sich die Unterstützung in Form von Haftungsübernahmen für „Überbrückungskredite“.

Mitarbeiter nicht gekündigt

SCHNAPPEN.AT: Mussten Sie Ihre Mitarbeiter kündigen?

Sabine Helm: Unser Lehrling und unsere geringfügig Beschäftigte wird normal weiterbeschäftigt und bezahlt – sie haben ja auch gearbeitet und ich bin der Meinung, das halten wir schon eine Zeit lang aus.

 

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Firmenpleiten & neue Synergien

SCHNAPPEN.AT: Wie könnte sich die Corona-Krise auf die Möbelbranche auswirken?

Sabine Helm: Vermutlich werden einige unserer Hersteller die Krise nicht überstehen. Ein Lieferant hat bereits das Lieferprogramm massiv gestrafft. Möglich, dass die, sowieso nicht mehr so große Vielfalt an Produkten und Designs, nochmal minimiert wird.

Abhängig vom künftigen Kaufverhalten

SCHNAPPEN.AT: Könnten aus der Krise neue Wege und Möglichkeiten entstehen?

Sabine Helm: Hoffentlich nur temporär – ich hoffe, dass aus den Erfahrungen der Krise neue Synergien, Ideen, Produkte und mehr sprießen! Das wird auch vom zukünftigen Kaufverhalten der Kunden abhängig sein. Oder es geht wieder genauso weiter, wie es war – man wird sehen.

 

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Wertbeständigkeit & Trend zu "regional"

SCHNAPPEN.AT: Sehen Sie durch die Corona-Krise neue Chancen, neue Wege?

Sabine Helm: In meinem nahen Umfeld ist die Wandlung "weg von schnellem Konsum" und "hin zur Wertbeständigkeit" absolut zu spüren. Wenn ich etwas kaufe, möchte ich wissen woher es kommt und wohin es geht. Ich hoffe sehr, dass dies dauerhaft so bleibt und zukunftsorientiert ist.

Auf Werte besinnen

SCHNAPPEN.AT: Was beschäftigt Sie in dieser Zeit besonders, welche Fragen stellen Sie sich?

Sabine Helm: Ob sich der Trend zu „regional“ und zu "in der Umgebung" kaufen, langfristig halten kann. Auf welche Werte wir uns besinnen: auf Familie, Freunde, Heim, auf Qualität oder Quantität, oder vielleicht auf 'weniger ist mehr'. Welchen Umgang wir miteinander pflegen werden? Und, wie mit uns Bürgern in Zukunft umgegangen wird und ob mit unseren Ängsten gespielt wird.

TraumhaftSchlafenBettenstudioWienFotoHelm

 
 
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